Erfolgsfaktor Onboarding
1. Die Einstellung endet nicht mit Vertragsunterschrift
Der aktuelle Fachkräftemangel macht Einstellungen herausfordernder denn je. Umso größer die Erleichterung, wenn endlich ein geeigneter Kandidat* gefunden ist. Aber umso irritierender ist die oft gelebte Praxis, dass der neue Mitarbeiter mehr oder weniger sich selbst überlassen wird. Viele Firmen haben überhaupt keinen oder nur einen sehr strubbeligen Onboarding-Prozess. Mit dem Ergebnis, das der mit viel Mühe gesuchte neue Mitarbeiter nicht richtig im Unternehmen ankommt, das neue Unternehmen manchmal sogar noch innerhalb der Probezeit verlässt. Das trifft insbesondere auf die jüngere Generation von Mitarbeitern zu, die aktuell in die Unternehmen schwemmt, denn diese Generation hat weniger Toleranz für Dinge, die beim Arbeitgeber nicht gut funktionieren und ist schnell wieder weg, wenn der Job nicht hält, was er versprochen hat. Was für eine Verschwendung von wertvollen Ressourcen!
Wie sieht denn ein optimaler Onboarding-Prozess aus?
Wer ist dafür zuständig?
Und wer übernimmt eigentlich die Einarbeitung des Chefs?
Das klären wir jetzt und hier!
2. Wie sieht ein optimaler Onboarding-Prozess aus?
Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst einmal wichtig zu klären: wozu dient ein Onboarding eigentlich genau?
Grundsätzlich geht es darum, die Produktivität und eine hohe Motivation des neuen Mitarbeiters von Beginn an sicherzustellen und seine Loyalität zu entwickeln. Im Einzelnen sind dafür die folgenden drei Bereiche entscheidend:
- Vertraut machen mit der neuen Aufgabe sowie den Strukturen und Prozessen im Unternehmen
- Einführung in die Unternehmenskultur
- Unterstützung im Kontakt mit neuen Kollegen
Das heißt, neben den inhaltlichen Faktoren, wie Aufgaben, Wissen über das Unternehmen und die Prozesse, ist auch die soziale Integration von entscheidender Bedeutung, denn sie wird am häufigsten vernachlässigt. Das „soziale Onboarding“ beginnt in der Regel erst mit dem ersten Arbeitstag, aber es gibt einige Dinge, die bereits davor starten können. Denn ein optimales Onboarding begleitet den neuen Mitarbeiter in drei Phasen.
2.1 Phase 1: Vor dem ersten Arbeitstag
Wir betrachten es eigentlich als selbstverständlich, dass zumindest die Formalitäten geklärt sind und der neue Mitarbeiter einen vollständig eingerichteten Arbeitsplatz antrifft. Trotzdem müssen wir immer wieder feststellen, dass der gute erste Eindruck, den der Mitarbeiter vom neuen Arbeitsgeber erhält, gerade an solchen Kleinigkeiten scheitert. Daher hier nur ein kurzer Überblick der Onboarding-Basics.
Zu den Formalitäten, die bei Jobantritt geklärt sein müssen, gehört bspw. eine E-Mail, in der dem neuen Mitarbeiter vorab mitgeteilt wird, WANN er WO genau sein und bei WEM er sich melden soll.
Er muss einen voll ausgestatteter Arbeitsplatz mit allen Geräten und Zugriffsrechten vorfinden um nicht seinen ersten Tag in der Warteschleife des IT-Helpdesks zu verbringen.
Außerdem sollte schon vorab klar definiert sein, wer alles in den Onboarding Prozess eingebunden wird und an welchen möglichen Schulungen der neue Mitarbeiter teilnehmen sollte.
Ebenfalls vorab muss klar sein, zu welchen wichtigen Terminen der neue Mitarbeiter bereits eingeladen wird und wen er treffen soll. Wer sind seine wichtigsten Stakeholder?
Die unmittelbaren Stakeholder sind natürlich die Kollegen im Team. Sie sollten stark eingebunden sein. Insbesondere wenn es sich um eine neue Stelle handelt, muss auch im Team vorab klar kommuniziert werden, welche Aufgaben der neue Mitarbeiter übernimmt und was sich dadurch für die anderen ändern wird, sonst entsteht leicht Verwirrung und Unmut.
Um den Mitarbeiter bereits vor Jobantritt zu „engagen“, sind manche Unternehmen, insbesondere größere mit digitalen Lernformaten im Weiterbildungskatalog, dazu übergegangen, eine modular aufgebaute Online Onboarding-Journey anzubieten. Das erste Modul kann bereits zu Hause vom neuen Mitarbeiter bearbeitet werden, wo er sich mit den inhaltlichen Facts und Figures rund ums Unternehmen vertraut machen kann.
2.2 Phase 2: Die erste Arbeitswoche
Mit dem ersten Arbeitstag beginnt dann neben der fachlichen Einführung die soziale Integration. Dazu gehören Vorstellungsrunden, 1zu1-Meetings mit wichtigen neuen Kollegen, die Einladung und Teilnahme an wichtigen Meetings, sowie gemeinsame Mittagessen, denn hier wird Unternehmenskultur spürbar. Überhaupt ist in dieser Phase nichts wichtiger, als Unternehmenskultur und Werte erlebbar zu machen, anstatt nur darüber zu präsentieren.
Der neue Mitarbeiter muss jetzt auch einen genaueren Überblick über seine Aufgaben und Projekte erhalten. Dazu gehört auch das Klären gegenseitiger Erwartungen: Wo liegt sein Handlungsspielraum? Welche Ziele soll er erreichen? Etc.
Sofern der Mitarbeiter sich schon vorab mit Unternehmenszielen, Produkten, Prozessen und Standards vertraut machen konnte, kann hier nochmal ein Deep Dive erfolgen. Vorteil von solch einem Vorgehen ist auch, dass der Mitarbeiter schon mit einer ersten Orientierung startet und jetzt nicht von einer Informationsflut überrollt wird.
2.3 Phase 3: Die ersten 100 Tage
Aus der Literatur wie auch aus zahlreichen Praxisstudien wissen wir, dass die ersten 100 Tage im neuen Job entscheidend sind. Warum 100 Tage?
Nun, wir wissen, dass ein neuer Mitarbeiter, je nach Komplexität seiner Rolle, ca. 3 Monate benötigt, um wirklich produktiv zu sein. Je intensiver die Begleitung während dieser ersten Wochen ist, desto schneller kann er einen Mehrwert fürs Unternehmen schaffen. Dabei sind regelmäßige Feedbacks von entscheidender Bedeutung, und zwar von beiden Seiten. Einmal seitens der Führungskraft und auch seitens des neuen Mitarbeiters selber: Was braucht er konkret, um richtig loszulegen?
Damit sind wir nun bei der nächsten wichtigen Frage: Wer ist eigentlich zuständig für‘s Onboarding?
3. Wer ist für‘s Onboarding zuständig?
Die Verantwortung für eine erfolgreiche Integration des neuen Mitarbeiters liegt gemeinsam bei HR Business Partner und Führungskraft. Mitunter benötigt die Führungskraft hierbei auch etwas Anleitung seitens HR, aber nach wie vor gilt: Integration ist Chefsache! Das heißt, dass Chefs die zentrale Rolle bei der fachlichen und sozialen Integration eines neuen Mitarbeiters spielen. Sie müssen sich die Zeit nehmen und während der Einarbeitungsphase präsent sein. Natürlich muss ein Chef das nicht alleine tun, sondern kann bspw. auch einen Paten bestimmen, das heißt, einen ersten Ansprechpartner für den neuen Mitarbeiter. Aber mit welcher Zeit und ehrlichem Interesse der Chef die Einarbeitung des neuen Mitarbeiters begleitet, entscheidet darüber, wie motiviert und leistungsbereit dieser ist.
Aber was ist, wenn der Chef selbst „der Neue“ ist und Onboarding benötigt?
4. Wer übernimmt die Einarbeitung des Chefs?
Je höher das Einstiegslevel, desto mehr Eigeninitiative wird selbstverständlich von Mitarbeitern erwartet. Das hat zur Folge, dass in höheren Schlüsselpositionen oft die größten Onboarding-Lücken bestehen. Dort wird zu viel Wissen und Kompetenz vorausgesetzt. Führungskräfte müssen eben besonders schnell in die Wertschöpfung kommen. Dabei benötigen gerade neue Führungskräfte Unterstützung, sich im neuen sozialen Umfeld einzuleben, denn sie sind schließlich diejenigen, die dieses direkte soziale Umfeld, ihr Team, entwickeln und steuern. Dabei spielen gegenseitige Erwartungen eine große Rolle. Da aber die Erwartungen oder auch Feedback seitens der Mitarbeiter in der Regel nicht offen mit dem Chef geteilt werden, bedarf es hier besonderer Unterstützung, zum Beispiel in Form eines Mentors auf hoher Managementebene, sowie HR-begleiteter Onboarding-Workshops.
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Führungskräfte Onboarding-Workshop
Gerade Führungskräfte müssen zu Beginn einen schwierigen Spagat hinlegen zwischen Zuhören und Lernen einerseits und Orientierung geben und neue Akzente setzen andererseits. Um diese Herausforderung zu bewältigen, haben sich in der Praxis Onboarding-Workshops bewährt, die zum Beispiel von HR begleitet werden und bei denen es darum geht, dass sowohl die Führungskraft als auch das Team den Raum bekommt, wechselseitige Erwartungen zu formulieren, um anschließend den gemeinsamen Fahrplan zu entwickeln. Denn für die Führungskraft ist bspw. entscheidend zu wissen, wird ein „Weiter so“ erwartet oder schreit das Team nach Veränderung?
Nach einigen Wochen erfolgt dann ein erstes Follow-Up und gegebenenfalls eine Anpassung von Erwartungen und Vorgehen. Außerdem erhält jeder im Raum die Möglichkeit, anonymisiert, positives wie negatives Feedback mit der Führungskraft zu teilen. Denn durch diese Art des Feedbacks lernt die neue Führungskraft am schnellsten. In manchen Fällen, zum Beispiel wenn sich Konflikte anbahnen, kann es sogar Sinn machen, auf diagnostische Verfahren zurückzugreifen (Link Blog-Artikel Diagnostik). Sie ermöglichen es, ein tieferes Verständnis für die Persönlichkeit und Motivationslage der Führungskraft zu entwickeln. Mit Hilfe von HR oder eines Coaches kann dann eine darauf abgestimmte Führungspraxis definiert werden, die auf die aktuelle Teamsituation abgestimmt ist.
5. Standardisierung des Onboarding-Prozesses
Um alle relevanten Faktoren der inhaltlichen wie sozialen Integration eines neuen Mitarbeiters zu berücksichtigen und den Onboarding-Prozess dennoch möglichst schlank zu halten, empfiehlt sich eine gewisse Standardisierung des Prozesses. Insbesondere die inhaltlichen Onboarding-Aspekte, wie Informationen zum Unternehmen, seinen Strukturen, Prozesse, Zielen, usw. können in standardisierter Form, wie einem Online Training vermittelt und damit auch modular gesteuert werden. Für die soziale Integration bedarf es vielmehr einer grundsätzlichen mentalen Haltung, dass sich alle, insbesondere aber HR und Führungskraft, für die Integration verantwortlich fühlen und eine Erfahrung zum Anfassen schaffen.
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*Auf Geschlechterdifferenzierung wird in diesem Artikel verzichtet. Bezeichnungen sind für alle Gender zu verstehen.